Nach drei Jahren als Co-Trainer trainierte Johannes Hanf in der Saison 2016/17 schon einmal die LVB-Frauen. Seit dem Sommer ist er nun zurück an der Neuen Linie. Im Interview spricht er über sein erstes halbes Jahr zurück bei Gelb-Blau.
Johannes, wie kam es, dass du im Sommer zu LVB zurückgekehrt bist?
Johannes: Marlene, eine von zwei noch Aktiven aus der Zeit damals, hat mich gefragt. Und nach einigem Überlegen habe ich dann zugesagt. Eigentlich hatte ich mir bei meinem Abschied damals vorgenommen, kein Frauenteam mehr zu übernehmen.
Warum nicht?
Johannes: Die Saison damals war so schwierig, dass ich sogar während der Saison schon überlegt hatte, hinzuwerfen. Es fing schon in der Vorbereitung an. Da sind sieben Spielerinnen schwanger geworden. Entsprechend hat sich der Kader reduziert und die Trainingsbeteiligung war sehr gering. Anfangs haben wir das noch kompensiert bekommen, aber nachdem sich auch noch zwei Schlüsselspielerinnen verletzt hatten, war der quantitative und qualitative Aderlass zu groß. Als wir dann in der Rückrunde zu Zehnt vier Stunden nach Spitzkunnersdorf gefahren sind, war das dann der Punkt, an dem ich gesagt habe, dass ich es für mich nicht mehr weitergeht.
Wo warst du in der Zwischenzeit?
Johannes: Ich war im Anschluss eine Saison Trainer bei Lok Leipzig. Dort habe ich erst die U16 und dann interimsweise die U17 betreut. Dann sind wir aus Leipzig weggezogen. Erst nach Frankfurt am Main, dort habe ich keine Mannschaft übernommen. Von dort ging es nach Münster. Dort habe ich für einen Sportverlag gearbeitet und auch wieder angefangen, Teams zu trainieren. Die Zusammenarbeit mit meinem Kollegen Chris hat mir richtig viel Spaß gemacht.
Und jetzt der Schritt zurück nach Leipzig …
Johannes: Wir hatten uns vorgenommen, zum Schulanfang meines Sohnes wieder nach Leipzig zurückzukehren. Er ist schon viel umgezogen. In seinen sechs Jahren hat er jetzt vier Wohnungen bezogen. Das reicht erstmal.
Unser Frauenteam wurde im Sommer zwangsabgestiegen, weil uns bei LVB ein weibliches Nachwuchsteam fehlt. In welchem Zustand hast du das Team vorgefunden?
Johannes: Wir hatten ja schon im Frühjahr Gespräche geführt und ich hatte mit dem Wunsch zugesagt, dass die Klasse gehalten wird. Der sportliche Klassenerhalt wurde dann zwar erreicht, doch dann kam der Zwangsabstieg. Ich kann gar nicht abschätzen, wie hart das die Spielerinnen getroffen hat. Aber ich kann von mir aus sagen, wie übel ich das fand. Wenn man sich sportlich qualifiziert und dann so eine Nummer reingedrückt bekommt. Es gab einige Spielerinnen, die überlegt haben, ob sie den Gang in die Landesklasse mitmachen. Zwei wichtige Spielerinnen sind ja dann auch gewechselt. Das war sicher ein Verlust für die Mannschaft. Doch der Kern ist zusammengeblieben und die eine oder andere hat sich auch gesagt, „jetzt erst recht“. Es war also kein Team, das am Boden zerstört war. Aber es gab da durchaus Gesprächsbedarf, etwa mit dem Verband, wo in der Kommunikation einiges unglücklich gelaufen ist.
Zwei Spiele in der Hinrunde stehen noch aus, die Winterpause verbringt ihr auf Platz 2, drei Punkte hinter Tabellenführer Schönau. Hast du diese Entwicklung so erwartet?
Johannes: Ich glaube, von der Punktausbeute sind wir etwas weiter, als wir uns das zu Saisonbeginn vorgestellt haben. Zu Saisonbeginn hätten wir das sicher auch genau so unterschrieben. Was aber bitter ist, dass wir mit nur fünf Gegentoren bereits sieben Punkte verloren haben. Die Hinrunde wird nichts an unserem Ziel ändern, in der Rückrundentabelle unter die ersten Drei zu kommen. Die Liga ist wahnsinnig eng, weswegen jedes Team auch bereits Punkte verloren hat. Bis Platz 7 herrscht eine enorme Leistungsdichte. Döbeln ist etwas abgeschlagen, hat aber auch eine gute Mannschaft.
Und spielerisch?
Johannes: Spielerisch geht es voran. Trotz einer phasenweise wirklich schlechten Trainingsbeteiligung macht das Team große Schritte vorwärts. Das ist erstaunlich. Die Punktausbeute ist, wie erwähnt, auch sehr gut. Das war zu Saisonbeginn beides sicher nicht zu erwarten. Nach dem ersten Training hatte ich mich noch gefragt, wie wir Tore erzielen wollen. Die besten Torschützinnen des Vorjahres hatten das Team ja verlassen. Vor dem Hintergrund sind unsere 21 Tore bisher auch erstaunlich viel. Aber das liegt ja an den Spielerinnen, die das klasse machen, sei es im Spielaufbau, im Kreieren von Chancen oder bei deren Verwertung.
War die Torausbeute das, was dich in der Hinrunde am meisten überrascht hat?
Johannes: Also die Zahl der Tore hat mich schon überrascht. Und ich finde es gut, dass wir so viele Tore machen.
Wenn man die Ausgangsbedingungen betrachtet, war das sicher so nicht zu erwarten. Zunächst hatte ich keine Idee, wie wir das Thema Offensive angehen sollen. In der ersten Trainingseinheit stach lediglich eine Spielerin heraus, die den Willen hatte, Tore zu machen. Alle anderen haben irgendwie gezögert aufs Tor zu schießen. Da wurde die Verantwortung eher noch mal abgegeben. Ich hatte das Gefühl, jede dachte, die andere könne es vielleicht besser.
Nun ist es aber so, dass sich die 21 Tore auf relativ viele Spielerinnen verteilen. Keine Spielerin hat bisher mehr als fünf Tore. Wir haben das also als Kollektiv gelöst.
Eine der Spielerinnen mit fünf Toren ist Greta. Die stand letzte Saison noch im Tor. Wie kam es dazu, dass sie jetzt eure Knipserin ist?
Johannes: Wir hatten vor der Saison die Konstellation, dass eine Spielerin, die ich im Sturm gesehen habe, ins Tor wollte. Und unsere Torhüterin wollte plötzlich in den Sturm. Da habe ich schon gedacht: Oh Gott, wo führt das hin? Da Greta allerdings in meiner ersten Amtszeit Stürmerin in der 2. Mannschaft auf Torejagd ging, war sie mir schon ein Begriff.
Und sie macht das super. Sie spielt eigentlich vorne drin auf der 9, ist aber keine Spielerin die permanent in die Tiefe geht, damit sie geschickt werden kann. Sie ist eher eine verkappte Spielmacherin, die sich gerne in den Zehnerraum fallen lässt und dort die Bälle festmacht. Deswegen ist sie, obwohl sie öfter trifft, gar nicht die Abschlussspielerin, sondern eher eine, die das Spiel verbindet. Damit übernimmt sie eine wirklich wichtige Funktion bei uns. Und vor dem Hintergrund, dass sie zuletzt einige Jahre im Tor stand, ist das umso beachtlicher.
Gab es irgendwo Schwierigkeiten in der Hinrunde?
Johannes: Vor allem bei der Trainingsbeteiligung. Die war wirklich schlecht. Wir haben effektiv keine Vorbereitung als Mannschaft gehabt. Es zog sich bis weit in die Hinrunde, bis wir uns als Team mal gefunden und überlegt haben, wie wir spielen wollen. In der Vorbereitung waren im Schnitt fünf oder sechs Spielerinnen beim Training. Da war es natürlich nicht möglich, systematisch Leistung aufzubauen. Viele waren mal da und anschließend im Urlaub. Wenn wir also einen großen Mangel benennen wollen, der bessere Leistungen – nicht Ergebnisse, aber Leistungen – verhindert hat, dann war es die Trainingsbeteiligung. Das ist aktuell auch der Hemmschuh für höhere Ziele.
Was wünschst du dir, von mehr Trainingsbeteiligung abgesehen, für die Rückrunde?
Johannes:
(lacht)
Das ist schon der größte Wunsch. Der überschattet auch vieles. Ich wünsche mir eine konstante Trainingsbeteiligung. Dass wir viele sind im Training. Also regelmäßig mehr als 12 oder im Idealfall sogar ein kompletter Kader. Dann könnten wir ganz anders trainieren. Das ist der größte Wunsch und alles andere fußt ja auch darauf. Nur mit einer guten Trainingsbeteiligung können wir uns als Team weiterentwickeln. Ob wir dann noch mehr Tore schießen, oder noch weniger kassieren, das wird sich dann zeigen.